Ein kleiner Weg
Brief 2
Kennst du das?
Ständig denkt man an irgendwas, was man erst in der Zukunft machen wird oder an etwas, was schon längst zurückliegt. Beide zeitlichen Dimensionen sind eine komplette Erfindung des Gehirns. Die Zukunft und die Vergangenheit existieren nur in unserer Vorstellung. Natürlich weiß man das zwar theoretisch, aber man vergisst es pausenlos.
Um dir die Nummer mit dem bewussten Handeln noch weiter zu erleichtern, geb ich dir heute mal einen handfesten und sehr praktischen Tipp. Der ist mir vor einigen Jahren schon mal als Gedankenanregung irgendwo in einem Buch untergekommen und dann hab ich ihn glatt für ein paar Jahre wieder vergessen. Bis ich mich plötzlich wieder dran erinnert hab.
Und da hab ich gleich an dich gedacht…
Es geht darum, dass man sich die Sache ein wenig erleichtert. Von null auf jetzt gleich komplett achtsam durch den Tag zu gurken, ist nämlich eher unmöglich. Das Gehirn ist schließlich darauf trainiert, ständig an irgendwas zu denken, was mit dem jetzigen Augenblick so grad mal gar nix zu tun hat. Das wird dir wahrscheinlich auch so gehen. Wir alle verbringen unser Leben erstmal damit, recht untrainiert zu sein, was die Sache mit dem „im Jetzt sein“ angeht.
Um entspannt und fluffig durch den Tag zu kommen, bringt es einem jedoch relativ wenig, ständig innerlich in der Zukunft oder in der Vergangenheit zu leben. Es wurde viel herumgeforscht und es ist inzwischen bewiesen, dass es zu richtig sichtbarem Stress im Gehirn mit allem möglichen Neuronengedöns kommt, wenn wir nicht auf den Augenblick fokussiert sind. Denn die Gedanken an zukünftiges oder vergangenes Zeug sind leider bei den meisten von uns eher negativ.
Das hast du sicherlich auch schon mal gemerkt. Wenn du irgendwo im Sommerurlaub schön am Strand liegst und gleichzeitig im Kopf deine volle To-Do-Liste bearbeitest, die zu Hause auf dich wartet, ist das ganze Strandambiente leider nicht mehr so richtig gemütlich im Vordergrund.
Wie kann man also üben, im Jetzt zu sein?
Man macht es sich leicht.
Man bricht das große Ganze in kleine Teile.
Also fängt man klein an.
Nimm dir EINE einzige Tätigkeit, die nur ein paar Sekunden dauert, die du aber jeden Tag machst. Im besten Fall steht diese sogar mehrmals am Tag an. Nimm eine, für die du nicht besonders viel Grips brauchst.
Zähneputzen. Händewaschen.
Eine Tür aufmachen.
Oder so.
Ich hab damit heute angefangen. Und ich wünsch mir für dich, dass du es auch machst.
Komm, wir machen das zusammen.
Heute hab ich mir einen kleinen Abschnitt von einem Weg genommen, den ich hier jeden Tag zig mal langgehe. Von der Haustür hoch in unser Türmchen, von dem aus ich dir in diesem Moment diese Zeilen schreibe.
An den Anfang dieses Abschnitts hab ich einen Stein hingelegt. Einen schönen. Mit Pünktchen, die ich vorher draufgemalt hab. Und am Ende davon auch einen. So dass ich, egal von welcher Seite ich den kleinen Weg langgehe, auf jeden Fall den einen oder den anderen Stein sehe. Und der erinnert mich: „Gehe diesen kleinen Abschnitt bewusst. Nur atmen. Nur die Beinchen fühlen. Nur sein. Hier. Jetzt.“ Ich frag mich während des Gehens dieses kleinen Weges:
Was hörst du? Was fühlst du? Was riechst du? Was siehst du?
Du findest bestimmt eine ähnliche kleine Tätigkeit aus deinem Alltag. Platziere dort irgendeinen kleinen Hinweis, der dich an dein Vorhaben erinnert. Und immer, wenn du „dort“ bist und „das“ machst, was du dort macht, dann übst du dich in bewusst, ruhig und entspannt sein. Du bringst dir selber bei, für ein paar Sekunden an nix anderes zu denken. Nimm ein paar tiefe Atemzüge. Entspanne deine Schultern. Genieße die Pause. Bewusst.
Ich schaff für den kleinen Weg nur zwei tiefe Atemzüge. Aber die hab ich heut schon ein paar mal bewusst gemacht.
Und die sind von jetzt an undebattierbar. Immer, wenn ich da langgehe.
Das mache ich eine ganze Woche lang.
Und nächste Woche nehm ich eine zweite Aktivität dazu.
Vielleicht verlängere ich diesen Weg… der geht schließlich auch noch ein paar Stufen hoch… oder vielleicht nehm ich mir auch mal das Zähneputzen vor. Dann pack ich mir ein kleines Blümchen neben meine Zahnbürste und erinner mich dran. Oder ich mach’s wie der Trommler und putz mir die Zähne mal mit links. Voll schwierig am Anfang, aber man putzt sich die Zähne plötzlich SEHR bewusst…
Und in der darauf folgenden Woche mach ich diese beiden Aktivitäten und nehm noch eine dritte dazu. Und die Woche darauf addiere ich die nächste. Und immer so weiter.
Ich kann dir das nur empfehlen. Aber nach und nach hat man sich und sein Gehirn an immer mehr Aktivitäten gewöhnt, die man ganz in Ruhe und bewusst erlebt.
Training ist alles.
Training ist einfacher, wenn man klein anfängt.
Probier’s doch einfach mal aus. Schad ja nix.
Ich wünsch dir ganz viel Spaß bei dieser Übung!
Bis zum nächsten Mal.
Ich drück dich,
Deine Jeanine
Mein Tipp für dich!
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Und dann führe sie EINE GANZE WOCHE lang bewusst aus!
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