Ein tiefer Atemzug
Brief 3
Hilft tief durchatmen wirklich?
Ich weiß, dass es das tut.
Lass mich dir verraten, warum ich dir heute mal einen tiefen, und zwar so richtig tiefen, Atemzug nahelegen will.
Mir ist das nämlich vorhin beim Telefonieren aufgefallen. Du musst wissen, ich telefoniere wahrlich sehr ungern. Man könnte sagen, ich bin da komplett inkompetent geworden. Vor allem, wenn ich Leute an der Strippe hab, die ich nicht kenne. Sehr verwunderlich eigentlich, denn in der Zeit, in der ich in Australien in diversen Rezeptionen unterschiedlichster Hotels gearbeitet hab, klingelte ja andauernd das Telefon. Da ging das noch ganz gut.
Aber das ist lange her. Und heutzutage?!??! Ich mag es einfach nicht. Stell mich auf eine Bühne vor lauter neue Menschen und ich fühl mich pudelwohl. Kein Problem. Das hab ich im Griff. Aber mit einer einzelnen mir unbekannten Person reden müssen, bei der ich die Gesichtsausdrücke nur durch die Stimme deuten kann, hab ich irgendwie verlernt. Vor allem deshalb, weil ich es effektiv vermieden hab, das tun zu müssen.
Doch heute war ich dran. Ich musste ein Interview geben. Mit einer Dame von einer Zeitung. Für eines unser kommenden Konzerte. Grrrrrr… schon nach wenigen Minuten machten sich bei mir die ersten Stresssymptome deutlich. Ach, was sag ich… nach Sekunden schon.
Kommt dir das bekannt vor? Du bist in einer Situation, in der du dich mehr als unwohl fühlst. Dein Herz fängt an zu pumpen. Dein Atem wird kürzer. Die Schultern ziehen sich zusammen. Bei den meisten sind da „echte“ Gründe, die diese Flight or Fight Reaktion (Flucht oder Kampf) auslösen.
Jeder ist anders.
Bei mir passiert es nunmal, wenn ich telefonieren muss.
Und da musste ich vorhin an dich denken. Du kamst mir in den Sinn, denn ich hab überlegt, dass dir das Folgende vielleicht helfen könnte. Wenn du dich unwohl fühlst, Panik bekommst und dich schlichtweg lieber in ein kuscheliges Kaninchen verwandeln würdest, dann nimm einen tiefen Atemzug. Das hast du vielleicht schon 1000 mal gehört, aber wendest du es auch bewusst an? Probier das doch jetzt gerade mal aus. Guckt ja grad keiner. Und hört auch keiner. Kann man ja auch leise machen. Alle Luft rauslassen.
Und dann einmal tief für vier Sekunden einatmen.
Vier Sekunden halten.
Vier Sekunden ausatmen.
Und dann vier Sekunden halten.
Probier es aus.
Jetzt.
Und? Merkst du was? Du wirst nicht drum rumkommen, dass in deinem Gehirn in diesen 4x4x4x4 Sekunden seeeeeehr viel passiert. Denn dein zentrales Nervensystem wird angestupst. Es ist nachgewiesen worden, dass durch einen tiefen Atemzug, die Gehirnwellen von Betha zu Alpha verlangsamen. Das hat den Effekt, dass sich deine kognitiven Fähigkeiten verbessern… so, als ob jemand das Fenster kurz mal aufmacht und die frische Luft den ganzen Raum viel fluffiger werden lässt.
Außerdem ist es so, dass die meisten von uns, wenn sie gesagt bekommen: „Atme mal tief durch“ dafür eher durch die Nase einatmen. Und damit wird der ganze olfaktorische Apparat in Gang gesetzt, denn die Nase ist ja zum Riechen da. Wenn der Teil in deinem Gehirn, der für Düfte zuständig ist, angeregt wird, ist auch die Großhirnrinde involviert. Auch das wurde genügend erforscht. Die können da ja heutzutage ganz prima Gehirne durchleuchten und lernen, was da oben alles so abgeht, wenn wir eine bestimmte Handlung durchführen. Jedenfalls wird durch die erhöhte Aktivierung der Großhirnrinde ein Zustand von Einkehr eingeleitet. Man guckt eher nach innen. Man ist kurz mal nicht so sehr mit dem Zeug beschäftigt, das einen gerade stresst. Dadurch entspannt sich nicht nur das Gehirn, sondern auch der Körper und das ganze System bekommt eine Art „Feinjustierung“. Der Fokus verschiebt sich.
Und das ist gut.
Man kriegt sozusagen in nur 16 Sekunden einen kurzen Neustart im Kopf.
Probier das einfach mal aus. Kannst ja auch erstmal an einer roten Ampel üben. Gewöhn dich in ruhigen Situationen dran und wende es dann bewusst an, wenn es stressig wird in deinem Tag. Und wenn es in deinem Leben gar keinen Stress gibt? Prima! Dann integriere diese Atmung ruhig einfach so in deinen Alltag. Den Effekt wirst du spüren. Und wenn du Lust hast, dann machst du diese Atmung sogar ein paar Mal hintereinander. Da ist sie natürlich sogar noch effektiver.
Mir ist es jedenfalls während des Telefonates heute sehr hilfreich gewesen. Nachdem ich die ersten paar Minuten mit echter Sauerstoffarmut verbracht hatte und meine Stimme irgendwie immer piepseliger wurde, ist mir die Nummer mit dem 4x4x4x4 eingefallen. Gedacht. Getan. Ich hab das kurz mal reingemogelt, als die Dame von der Zeitung sich versuchte vorzustellen, wie wir mit der Orchesterharfe in unserem Wohnmobil auf Tour sind. Das fand sie lustig. Sie war beschäftigt mit vor sich Hinkichern. Da hab ich mal leise richtig einmal lange ein und ausgeatmet.
Und danach war das Telefonat ein Klacks. Die Herzfrequenz ging runter. Die leuchtend rote Birne nahm wieder eine normale Hautfarbe an…
Also… so langweilig und unscheinbar dieser Tipp auch scheint. Probier ihn in Ruhe aus. Es ist wissenschaftlich bewiesen, dass wir unserem Gehirn und Körper damit guttun.
Lass mich wissen, in welchen Situationen dir das bewusste langsame Atmen geholfen hat. Ich freu mich immer über Nachrichten.
Bis zum nächsten Mal.
Ich drück dich,
Deine Jeanine
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4 x 4 x 4 x 4
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einatmen – halten – ausatmen – halten
Was fühlst du?
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